Das seit 2021 bestehende „Internationale Büchergericht“ ist das monatliche Online-Lesecafé von KulturNetz aan Zee. In dieser Zeit haben wir miteinander ca. 50 Bücher besprochen und viele dieser Bücher haben sich als echte Geheimtipps entpuppt. Natürlich waren auch einige Bestseller mit dabei, wie „Menschen im Hotel“ von Vicki Baum und „Achtsam morden“ von Karsten Dusse.
Ab Mitte Mai 2025 haben wir Ihnen jeweils zwei Bücher pro Woche vorgestellt – insgesamt zehn wirklich gute Lesetipps, um sich die Sommerfrische am Meer oder in den Bergen zu versüßen.
Hier finden Sie die zehn exklusiven Büchervorschläge.
Dörte Hansen „Zur See“
Die Fähre braucht vom Festland eine Stunde auf die kleine Nordseeinsel, manchmal länger, je nach Wellengang. Hier lebt in einem der zwei Dörfer seit fast 300 Jahren die Familie Sander. Drei Kinder hat Hanne großgezogen, ihr Mann hat die Familie und die Seefahrt aufgegeben. Nun hat ihr Ältester sein Kapitänspatent verloren, ist gequält von Ahnungen und Flutstatistiken und wartet auf den schwersten aller Stürme. Tochter Eske, die im Seniorenheim Seeleute und Witwen pflegt, fürchtet die Touristenströme mehr als das Wasser, weil mit ihnen die Inselkultur längst zur Folklore verkommt. Nur Henrik, der Jüngste, ist mit sich im Reinen. Er ist der erste Mann in der Familie, den es nie auf ein Schiff gezogen hat, nur immer an den Strand, wo er Treibgut sammelt. Im Laufe eines Jahres verändert sich das Leben der Familie Sander von Grund auf, erst kaum spürbar, dann mit voller Wucht.
Klug und mit großer Wärme erzählt Dörte Hansen vom Wandel einer Inselwelt, von alten Gesetzen, die ihre Gültigkeit verlieren, und von Aufbruch und Befreiung.
Dörte Hansen: Zur See, 2023, 304 Seiten, Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, München, ISBN: 978-3-328-60311-5
Link: Leseprobe
Foto: Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Karsten Dusse „Achtsam morden“
Björn Diemel wird von seiner Frau gezwungen, ein Achtsamkeits-Seminar zu besuchen, um seine Ehe ins Reine zu bringen, sich als guter Vater zu beweisen und die etwas aus den Fugen geratene Work-Life-Balance wieder herzustellen. Denn Björn ist ein erfolgreicher Anwalt und hat dementsprechend sehr wenig Zeit für seine Familie. Der Kurs trägt tatsächlich Früchte und Björn kann das Gelernte sogar in seinen Job integrieren, allerdings nicht ganz auf die erwartete Weise. Denn als sein Mandant, ein brutaler und mehr als schuldiger Großkrimineller, beginnt, ihm ernstliche Probleme zu bereiten, bringt er ihn einfach um — und zwar nach allen Regeln der Achtsamkeit.
Achtsam morden ist die Geschichte eines bewussten und entschleunigten Mordes, der längst überfällige Schulterschluss zwischen Achtsamkeitsratgeber und Krimi, vor allem aber ein origineller Unterhaltungsroman.
Karsten Dusse: Achtsam morden, 2019, 416 Seiten, Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, München, ISBN: 978-3-453-43968-9
Link: Hörbuch
Foto: Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Mareike Fallwickl“„Die Wut, die bleibt“
Helene, Mutter von drei Kindern, steht beim Abendessen auf, geht zum Balkon und stürzt sich ohne ein Wort in den Tod. Die Familie ist im Schockzustand. Plötzlich fehlt ihnen alles, was sie bisher zusammengehalten hat: Liebe, Fürsorge, Sicherheit. Helenes beste Freundin Sarah, die Helene ihrer Familie wegen zugleich beneidet und bemitleidet hat, wird in den Strudel der Trauer und des Chaos gezogen. Lola, die älteste Tochter von Helene, sucht nach einer Möglichkeit, mit ihren Emotionen fertigzuwerden, und konzentriert sich auf das Gefühl, das am stärksten ist: Wut.
Mareike Fallwickl skizziert diesem feministischen Roman auf drastische Weise, was geschieht, wenn eine erschöpfte Mutter aufgibt, beschreibt die Lücken, die sie hinterlässt und die weibliche Wut, die bleibt. Sie seziert Tabuthemen, veraltete Rollenbilder und legt den Finger in die klaffenden Wunden unserer Gesellschaft.
Mareike Fallwickl: Die Wut, die bleibt, 2023, 384 Seiten, Rowohlt Taschenbuch, Hamburg, ISBN: 978-3-499-00912-9
Link: Podcast von KulturNetz aan Zee mit der Autorin
Foto: Rowohlt Verlag
Jan Weiler „Der Markisenmann”
Was wissen wir schon über unsere Eltern? Meistens viel weniger, als wir denken. Und manchmal gar nichts. Die fünfzehnjährige Kim hat ihren Vater noch nie gesehen, als sie von ihrer Mutter über die Sommerferien zu ihm abgeschoben wird. Der fremde Mann erweist sich auf Anhieb nicht nur als ziemlich seltsam, sondern auch als der erfolgloseste Vertreter der Welt. Aber als sie ihm hilft, seine fürchterlichen Markisen im knallharten Haustürgeschäft zu verkaufen, verändert sich das Leben von Vater und Tochter für immer.
Ein Buch über das Erwachsenwerden und das Altern, über die Geheimnisse in unseren Familien, über Schuld und Verantwortung und das orange-gelbe Flimmern an Sommerabenden.
Jan Weiler: Der Markisenmann, 2022, 336 Seiten, Heyne Verlag, München, ISBN: 978-3-453-27377-1
Link: Bestsellerautor Jan Weiler über seinen neuen Roman »Der Markisenmann«
Foto: Heyne Verlag
Alina Bronsky „Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche“
Die Geschichte der leidenschaftlichsten und durchtriebensten Großmutter aller Zeiten
Am Anfang tut sie alles, um nicht Großmutter zu werden: Im Jahr 1978 ist Rosalinda wild entschlossen, die Schwangerschaft ihrer viel zu jungen und viel zu dummen Tochter zu beenden. Doch das misslingt, und sobald Aminat auf der Welt ist, entbrennt ein rücksichtsloser, grotesk-komischer Kampf um sie.
Jenseits des Urals herrschen klare Verhältnisse: Die Tatarin Rosalinda bestimmt, ihr Gatte Kalganov spurt, und ihre Tochter Sulfia benimmt sich schlecht. Es mangelt an vielem, aber nicht an Ideen, und schon gar nicht an Willenskraft. Es steht also immer etwas Scharfes auf dem Tisch, und alle größeren Malheurs, die Sulfia anrichten könnte, werden verhindert. Nur ihre Schwangerschaft nicht, und auch nicht die Geburt von Aminat, dem genauen Gegenteil ihrer Mutter: schön, schlau, durchsetzungsfähig – ganz die Großmutter eben.
Rosalinda steht zum ersten Mal einem Geschöpf gegenüber, das ihr ebenbürtig ist, und wird die leidenschaftlichste Großmutter aller Zeiten. Im ungleichen Kampf zwischen der glücklosen Sulfia und der rücksichtslosen Rosalinda wird das Mädchen zur Wandertrophäe – und der Leser zum Zeugen haarsträubendster Ereignisse, komischster Szenen, schlagfertigster Dialoge.
Alina Bronsky gelingt eine Glanzleistung: Sie lässt ihre radikale, selbstverliebte und komische Hauptfigur die Geschichte dreier Frauen erzählen, die unfreiwillig und unzertrennlich miteinander verbunden sind – in einem Ton, der unwiderstehlich ist. Durch drei Jahrzehnte und diverse Schicksalsschläge führt sie die ungleichen Frauen, und der Leser folgt ihr atemlos.
Voller Gefühl, Sinnlichkeit, Drastik und Exotik: ein scharfer Frauenroman!
Alina Bronsky: Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche, 2010, 320 Seiten, Kiepenheuer & Witsch, Köln, ISBN: 978-3-462-04235-1
Link: „Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche“ von Alina Bronsky – Hörbuchauszug
Foto: Verlag Kiepenheuer & Witsch
Marianna Leky „Was man von hier aus sehen kann“
Irgendwo im Westerwald – Mariana Lekys weiser und warmherziger Bestsellerroman über ein Dorf in der Provinz und seine skurrilen Bewohner Selma, eine alte Westerwälderin, kann den Tod voraussehen. Immer, wenn ihr im Traum ein Okapi erscheint, stirbt am nächsten Tag jemand im Dorf. Unklar ist allerdings, wen es treffen wird. Davon, was die Bewohner in den folgenden Stunden fürchten, was sie blindlings wagen, gestehen oder verschwinden lassen, erzählt Mariana Leky in ihrem Roman.
›Was man von hier aus sehen kann‹ ist das Porträt eines Dorfes, in dem alles auf wundersame Weise zusammenhängt. Aber es ist vor allem ein Buch über die Liebe unter schwierigen Vorzeichen, Liebe, die scheinbar immer die ungünstigsten Bedingungen wählt. Für Luise zum Beispiel, Selmas Enkelin, gilt es viele tausend Kilometer zu überbrücken. Denn der Mann, den sie liebt, ist zum Buddhismus konvertiert und lebt in einem Kloster in Japan …
Marianna Leky: Was man von hier aus sehen kann, 2017, 320 Seiten, Dumont Verlag Köln, ISBN: 978-3-8321-9839-8
Link: Internetseite zum Buch
Foto: Dumont Verlag
Johanna Sebauer „Nincshof“
Nincshof, ein kleines Dorf an der österreichisch-ungarischen Grenze, soll vergessen werden. So der Plan dreier Männer, die sich »die Oblivisten« nennen und rauswollen aus der hektischen Zeit. Wenn niemand mehr von ihnen weiß, können sie und das ganze Dorf in Freiheit und Ruhe leben. Laut Legende ist das in Nincshof schon einmal so gewesen. Ausgerechnet die alte Erna Rohdiebl soll dabei helfen, dass dieses Vorhaben gelingt, denn die drei Männer glauben, dass die alte Frau die Freiheit im Blut hat und daher genau die Richtige für ihre Bewegung ist. Erna Rohdiebl wiederum hat in ihrem langen Leben selten Dümmeres als die Idee zu verschwinden gehört, aber ihre Neugierde siegt. Abend für Abend poltern die Oblivisten an ihre Eckbank und plotten bei Speckbroten und Pusztafeigenschnaps ihr Verschwinden. Straßenschilder werden abmontiert, wichtige Feierlichkeiten abgesagt, lästige Fahrradtouristen vergrault. Alles scheint nach Plan zu verlaufen. Wenn da nicht die Neuen aus der Stadt wären. Ein turbulenter Sommer nimmt seinen Lauf!
„Ein Märchen über die unterschiedlichen Versionen von Wahrheit und Wirklichkeit.“ Deutschlandfunk Kultur
Johanna Sebauer: Nincshof, 2023, 368 Seiten, DuMont Buchverlag GmbH & Co. KG , Köln, ISBN: 978-3-8321-6820-9
Link: Petra Hartlieb spricht mit Johanna Sebauer über ihren Debütroman “Nincshof”
Foto: DuMont Buchverlag
Katja Oskamp „Marzahn, mon amour – Geschichten einer Fußpflegerin“
Katja Oskamp ist Mitte vierzig, als ihr das Leben fad wird. Das Kind ist aus dem Haus, der Mann ist krank, die Schriftstellerei, der sie sich bis dahin gewidmet hat: ein Feld der Enttäuschungen. Also macht sie etwas, was für andere dem Scheitern gleichkäme: Sie wird Fußpflegerin in Berlin-Marzahn, einst das größte Plattenbaugebiet der DDR. Und schreibt auf, was sie dabei hört – Geschichten wie die von Herrn Paulke, vor vierzig Jahren einer der ersten Bewohner des Viertels, Frau Guse, die sich im Rückwärtsgang von der Welt entfernt, oder Herrn Pietsch, dem Ex-Funktionär mit der karierten Schiebermütze. Geschichten voller Menschlichkeit und Witz, Wunderwerke über den Menschen an sich – von seinen Füßen her betrachtet.
„Katja Oskamp braucht nicht viele Worte, um ein ganzes Leben zu erzählen. Normale Leute, ein kaum beachteter Ort – spektakuläre Geschichten.“
Bov Bjerg
Katja Oskamp: Marzahn, mon amour – Geschichten einer Fußpflegerin, 2019, 144 Seiten, Hanser Verlag, Berlin, ISBN 978-3-446-26414-4
Link: 5 Fragen an … Katja Oskamp
Foto: Hanser Verlag
Vicki Baum „Menschen im Hotel“
Vicki Baum schrieb von den 20ern bis in die 50er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts zahllose Bestseller und führte das Leben eines Weltstars. Ihr Verlag würdigt sie nun mit einer wegweisenden Biographie und der Neuausgabe ihrer bekanntesten Romane.
Menschen im Hotel, erschienen im Jahr 1929, machte Vicki Baum weltberühmt. Der mit leichter Hand, Poesie und subtilem Witz erzählte Roman führt eine Handvoll Menschen im Grand Hotel zusammen, zeigt sie in ihren Krisen, Träumen und Enttäuschungen und liefert ein atmosphärisch dichtes Bild vom Berlin der 20er-Jahre.
Am Broadway dramatisiert, in Hollywood mit Greta Garbo, später noch einmal mit Heinz Rühmann verfilmt, begründete der Roman Vicki Baums Weltruf und ebnete ihr den Weg in die USA.
Vicki Baum: Menschen im Hotel, 1929, 336 Seiten, Kiepenheuer & Witsch, Köln, ISBN: 978-3-462-30893-8
Link: Leseprobe
Foto: Kiepenheuer & Witsch
Heike Winter „Ach was, Menschen“
Weil der Homo sapiens verlernt hat, sich auf die Facetten der Liebe einzulassen, braucht er einschneidende Wendepunkte im Leben. Essentiell einfach beschreibt Heike Winter die Achterbahnfahrten des Lebens. Ihre Protagonisten reißen die Scheunentore der Herzen weit auf und gebären den Homo amans, den liebenden Menschen.
Heike Winter: Ach was, Menschen, 2023, 120 Seiten, Brot & Spiele Verlag, Wien, ISBN 978-3-903-40608-7
Foto: Brot & Spiele Verlag